«Ich komme nicht zur Arbeit für den Staat, sondern für die Menschen, die hier wohnen und arbeiten»

Susanna Gheza, Betreuerin im Arealunterhalt, seit 20 Jahren im Gehörlosendorf

Seit zwanzig Jahren packt Susanna in verschiedenen Bereichen beherzt mit an. Nebst den praktischen Talenten, die sie im Arealunterhalt einsetzt, besitzt sie ein grosses Herz für die ihr anvertrauten Menschen. Wir danken ihr für den langjährigen treuen Einsatz und dass sie nie aufgegeben hat, auch wenn die Herausforderungen sie zu überwältigen drohten. Es zeugt von Stärke, wenn Angestellte ihre Grenzen wahrnehmen, wie Susanna dies tat, und nicht permanent über dem Limit arbeiten, damit sie mit voller Kraft für die Bewohnenden und Mitarbeitenden da sein können. Wir wünschen ihr noch viele freudvolle Momente bei der Arbeit und dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen mögen.

 

Als ich vor 20 Jahren als Mutter den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt versuchte, war der Einstieg als Betreuerin im Wohnen mit einem Pensum von 10% eine super Gelegenheit. Ich habe die Ausbildung zur Malerin/Tapeziererin abgeschlossen und wollte wieder etwas Praktisches machen, jedoch mehr mit Menschen. Im Wohnbereich konnte ich dann rasch verschiedene Aufgaben in der alltäglichen Begleitung der Bewohnenden übernehmen, was mir sehr gefallen hat. Von alltäglichen Verrichtungen wie Körperpflege oder Anziehen über gemeinsame Spiele bis hin zu ausgedehnten Ausflügen und Ferienbegleitung war der Arbeitsalltag sehr vielseitig. Nach stetiger Steigerung meines Pensums habe ich dann eine Festanstellung erhalten und obwohl ich keine pädagogische Ausbildung habe, wurde ich nie gedrängt, diese nachholen zu müssen.

Nach zwölf Jahren im Gehörlosendorf erlebte ich eine Phase des persönlichen Zerbrechens und musste wegen eines Burn-Outs mehrere Monate aussetzen. Die ganze Zeit wurde ich getragen und unterstützt in meinem Genesungsprozess durch meine Vorgesetzten. Am Ende dieses Prozesses war mir klar, dass ich mich mehr abgrenzen musste und auch wollte im Arbeitsalltag. Es fiel mir sehr schwer und ich wollte auch im Gehörlosendorf bleiben, wusste aber, dass dies als Betreuerin im Wohnen nicht mehr geht. Die Zunahme an Büroarbeiten am PC und meine Tendenz, die Probleme der Bewohnenden in Gedanken mit nach Hause zu nehmen, war zu viel Belastung. Ich war überglücklich, als ich in den neu entstandenen Arealunterhalt wechseln durfte mit meiner 70% Anstellung. Nun konnte ich viel draussen sein und praktisch anpacken mit den Mitarbeitern. Das gemeinsame Arbeiten gab mir zudem einen neuen Zugang zu den Menschen und herausfordernde Situationen zu bewältigen sind auch hier an der Tagesordnung. Die Mitarbeitenden sind meistens relativ entspannt bei der Arbeit und so fällt es einfacher, Gespräche zu führen oder auch schwierige Themen zu diskutieren. Bis heute arbeite ich im Arealunterhalt zusammen mit meinem «Super-Chef» Andreas. Auch er hat viel dazu beigetragen, dass es mir bis heute so gut gefällt im Gehörlosendorf.

Über die vergangenen 20 Jahre hat sich viel verändert, nicht nur die Stiftung, auch die Klienten haben sich verändert. Heute haben wir ein sehr breites Spektrum an Menschen, die bei uns wohnen und arbeiten – von 16-jährigen Jugendlichen bis zu 100-jährigen Senioren haben bei uns alle einen Platz. Die Jugendlichen sind heute sehr viel mit dem Handy unterwegs und es ist noch schwieriger geworden, mit ihnen in Beziehung zu treten, da die Isolation durch die Hörbehinderung ja ohnehin schon eine Herausforderung ist. Trotz der grossen Unterschiedlichkeit unterstütz man sich im Gehörlosendorf. Ich fühle mich wohl hier, weil der Alltag mit sehr viel Normalität gelebt wird. Ich habe viel Freiraum für und mit den Menschen hier.

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die enorme Breite der Menschen, die wir aufnehmen, wieder etwas schmaler wird. Zudem gibt es auch immer mehr administrative Aufgaben, die vom Staat gefordert werden. Die Flexibilität, die wir Angestellten brauchen, ist manchmal sehr hoch und kann überfordern. Ich möchte aber nicht hier arbeiten, um nur administrative Aufgaben im Büro zu erledigen. Ich komme nicht zur Arbeit «für den Staat», sondern für die Menschen, die hier wohnen und arbeiten.

Ich wünsche mir mehr Entwicklung von Mitarbeitern – wenn möglich an einem Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt. Aber vor allem würde ich gerne erleben, wie die Idee vom «Dorf im Dorf» voll zum Blühen kommt und die Bewohnenden mehr am gesellschaftlichen Leben in Turbenthal teilnehmen, dass sie Vereine besuchen, Freundschaften finden unter Hörenden und dass Turbenthaler am Leben im Gehörlosendorf teilnehmen.